Essen ist Verkauf. Klingt komisch, ist es auch.
Will man in ein Kind eine Mahlzeit reinbekommen, die es zuvor noch nie gesehen hat (bitte im Hintergrund die Raumschiff Enterprise Melodie), so verfährt man am Besten wie ein abgekochtes Verkäuferschlitzohr. („Steht ihnen hervorragend, dieses fröhliche, figurschmeichelnde Neon-Orange“)
Es gibt da dann mehrere Varianten, die allesamt immer bis zum letzten Moment die totale Spannung garantieren. Denn am Ende entscheidet immer der kindliche Gaumen. Egal wieviel Mühe man sich vorher gemacht hat, sagt der Gaumen „Bäh“, war es, kurz gesagt, alles umsonst.
Aber.
Ja, es gibt ein aber.
Man kann die Psyche des Gaumens beeinflussen. Das ist ein bißchen wie mit Placebo - Tabletten. Glaubt der Gaumen, dass es ihm schmeckt und zwar BEVOR er es überhaupt gekostet hat, dann folgt in statistisch signifikanter Häufigkeit kein „Bäh“ mehr.
So kann man mit dem Zielkind gemeinsam kochen. Bei kleineren Gerichten kann das durchaus von Erfolg gekrönt sein und am Ende verkauft man an den Co-Koch. Muss man allerdings stundenlang rühren und schneiden, nimmt die Ausstiegswahrscheinlichkeit des zu überzeugenden Kandidaten enorm zu, was, man braucht ja nicht weit zu denken, verkaufstechnisch der erste Schritt zum Desaster ist.
Mitkochen daher also nur bei kleinen, schnellen Gerichten. Mit möglichst ansprechenden Zutaten, die man womöglich auch roh schon vorab testen kann.
Man kann die Sache auch fies und untergriffig angehen. In diesem Szenario müssen die Kinder etwas anderes Essen, als die Eltern. Würstel oder so. Die Eltern-Mahlzeit bleibt geheimnisvoll: „Das ist noch nichts für dich!“ „Dafür bist du noch zu klein!“ „Du kannst das mal probieren wenn du größer bist!“ „Das schmeckt dir ganz sicher nicht. Nur Mama und Papa!“
Kombiniert mit großer Vorfreude auf das Essen bei den Eltern (Geht natürlich nur, wenn es einem auch wirklich schmeckt. Kinder sind ja nicht doof!). Also jede Menge rollende Augen, Schmatzgeräusche, Ohs und Ahs und was halt noch so dazugehört - zum genussvollen Erwachsenen.
Die Mahlzeit der Eltern ist worüber geredet wird. Man schauspielert und gibt alles und genießt dabei enthemmt.
Ist man gut, wird einem der Teller unter der Hand leergegessen.
Ein Verkäuferschicksal. Es sind ja eh noch die Würstel da!
Mein persönlicher Verkaufsliebling ist das All-in-One. Eine Kombination von Spiel, Neugier und einem eigenartigen Namen.
Dazu gehört unser Stibitz Fleisch - in Speck gewickelter Schweinslungenbraten. Die Kinder wollten’s nicht essen. So entstand die Regel/das Spiel: Die Kinder
bekommen schlicht gar kein Fleisch auf ihren Teller, nur die Eltern.
Diese wiederrum schneiden dieses auf ihrem Teller beiläufig in kleine Stücke und werden dann immer und immer wieder abgelenkt.
„Hast du den Adler gerade gesehen?“
„Ein ADLER???“
„Ja, Mama! Da schau! Da war er schon wieder!“
Und Schwupps!
Das läuft sogar so gut, dass wir die Selbstschutzregel eingeführt haben, dass nur bei
einem Elternteil stibitzt werden darf. Es ist im Alltag doch von Nöten, dass zumindest ein Erwachsener satt vom Tisch aufsteht.
Soll heißen das funktioniert so gut, man hat den Eindruck das Fleisch beamt sich förmlich vom Teller.
Verkauft!
An die zwei Hamsterbacken an unserem Tisch!
Mahlzeit!
Anmerkungen:
stibitzen - geht im Wienerisch Wörterbuch unter: eine Kleinigkeit entwenden :-))
Die Autorin ist für weiter angewandte Verkaufsstrategien dankbar. Bitte eine möglichst detaillierte Anleitung im Kommentar zu hinterlassen.
:-)